„Angebotsvielfalt ist nicht Anbietervielfalt“: Kleine TV-Sender fordern Vorgaben zur Plattformregulierung
Medienanstalten haben Digitalisierungsbericht 2016 vorgestellt
Die vollständige Digitalisierung des Fernsehempfangs ist auf der Zielgeraden – das belegen die Zahlen des neuen Digitalisierungsberichts der Medienanstalten, der gestern in Berlin präsentiert wurde. So ist die Digitalisierung in den deutschen Fernsehhaushalten im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte auf 92,3 Prozent angestiegen. Das entspricht rund 35 Millionen Haushalten. Die Digitalisierungsquote im Kabel stieg um zehn Prozentpunkte auf 82,1 Prozent, variiert jedoch regional: Hessen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liegen vorne. Der Anteil der ausschließlich analogen Kabelhaushalte an allen Kabel-TV-Haushalten liegt bei 16,8 Prozent.
Gleichzeitig setzt sich der leichte Rückgang in der Terrestrik fort, wie Regina Deck von TNS Infratest bei ihrer Präsentation ausführte: Fernsehen über DVB-T empfangen bundesweit 9 Prozent oder 3,4 Millionen TV-Haushalte. In den Haushalten, die ausschließlich DVB-T empfangen, bleibt die Nutzung jedoch stabil, sowohl bundesweit als auch in den Kernregionen, wo zusätzlich zu den öffentlichen-rechtlichen auch die privaten Programme empfangen werden können. IPTV hingegen legt um 1,4 Prozentpunkte zu auf 6,2 Prozent. Kabel und Satellit liegen nahezu gleichauf (45,9 gegenüber 46,5 Prozent der TV-Haushalte) und bleiben weiter die meistgenutzten Übertragungswege.
DLM-Vorsitzender Schneider: Runder Tisch zur Abschaltung des analogen Kabelsignals
Mit einem Digitalisierungsgrad von deutlich über 80 Prozent sei die Marke, die üblicherweise Maßstab für einen Analog-Digital-Umstieg ist, deutlich überschritten, erklärte Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), in seiner Begrüßung. Die Medienanstalten wollten die analoge Verbreitung des Kabelfernsehens im Jahr 2018 beenden. „Wir werden daher am 20. September erstmals Netzbetreiber und Vertreter der privaten Fernsehveranstalter zu einem gemeinsamen Austausch an einen Runden Tisch einladen“, kündigte Schneider an.
Wie kleine Sender chancengleich an der Digitalisierung teilhaben können, war das Thema der anschließenden Keynote und Diskussion. „Angebotsvielfalt ist nicht Anbietervielfalt“, sagte Thomas Fuchs, Koordinator des Fachausschusses Netze, Technik, Konvergenz der DLM, in seiner Keynote. Er warf unter anderem die Frage auf, wie kleine, unabhängige Sender für die Konkurrenz durch Streaminganbieter sowie durch Spartenprogramme der großen Sendergruppen gerüstet werden und wie die Regulierung noch mehr Unterstützung leisten könne. Zuletzt hätten sich die Medienanstalten beispielsweise bezüglich der Einspeiseentgelte für bessere Konditionen für weniger reichweitenstarke Programmanbieter eingesetzt und eine deutlich geringere Eintrittsschwelle erreicht.
„Es geht um Chancengleichheit und Transparenz“
Der Druck auf kleine Anbieter wachse im Zuge der Digitalisierung – das betonten in der anschließenden Podiumsdiskussion Dr. Torsten Rossmann von WeltN24 und Andreas Gerhardt von Sport1. Rossmann: „Wir konkurrieren nicht nur auf dem Zuschauermarkt, auf dem Werbemarkt und auf dem Zuliefermarkt mit den großen Sendern. Auch im Distributionsbereich sind die Vorteile der großen Sender evident.“ Er fühle sich von den Plattformbetreibern nur „ansatzweise“ diskriminierungsfrei behandelt. Die Frage der Auffindbarkeit von Inhalten sei daher für ihn zentral. „Wir müssen darauf achten, dass die Kluft nicht größer wird“, pflichtete ihm Andreas Gerhardt von Sport1 bei. Er forderte: „Im Bereich der Plattformregulierung brauchen wir den Gesetzgeber in Bezug auf Zugang, Auffindbarkeit und Entgelte.“
Zurückhaltender hinsichtlich neuer Regulierungsvorgaben äußerte sich Dr. Michael Müller von der ProSiebenSat.1 Media SE. Er begrüßte jedoch das Engagement der Medienanstalten beim Analog-Digital-Umstieg. Dr. Wolf Osthaus von Unitymedia erklärte, dass er als Plattform- und Netzbetreiber kein Interesse daran habe, neue exklusive Angebote zu schaffen: „Plattformbetreiber sind keine Gatekeeper. Wir wollen jeden Inhalt auf unserer Plattform.“
Es geht „nicht um mehr Regulierung, sondern um die Wahrung von Chancengleichheit und Transparenz im Sinne einer Anbietervielfalt“, betonte am Schluss Thomas Fuchs. Die Medienanstalten forderten daher beispielsweise Rechte zur Einsicht in Einspeiseverträge. In Bezug auf notwendige neue Vorgaben zur Plattformregulierung sei jetzt – nach Abschluss der Arbeit der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz – zeitnah ein neuer Rundfunkstaatsvertrag mit präzisen Regelungen zur Plattformregulierung auf den Weg zu bringen.
Der Digitalisierungsbericht 2016 ist hier zum Download verfügbar. In Kürze finden Sie dort auch die Veranstaltungsdokumentation.