Prof. Dr. Möhring: „Lokal-TV hat seinen USP verloren“
Erfolgreicher erster Tag schafft Grundlage für Vertiefung
Berlin, 27. September 2017 – Der erste Tag des Lokal-TV-Kongresses 2017 ist erfolgreich zu Ende gegangen. Die hochkarätig besetzten Vorträge, anschließenden Diskussionen und ein Show Case Lokal-TV aus den fünf ostdeutschen Bundesländern haben den Grundstein für die Gespräche am Abend sowie vertiefende Diskussionen am zweiten Kongresstag gelegt.
In ihrer Begrüßung zur Eröffnung des Lokal-TV-Kongresses 2017 beschrieb Grit Wißkirchen, Vize-Präsidentin und Medienrätin der SLM, eine klaffende Lücke zwischen zwei gesellschaftlichen Polen: Zum einen stünden immer mehr Informationen aus jedem Winkel der Welt über das Internet zur Verfügung, zum anderen gäbe es eine abnehmende Zahl an Tageszeitungen und lokalen Medien insgesamt. Dabei sei doch gerade Lokal-TV als Bindeglied zwischen Gartenzaun und lokaler Berichterstattung dritter öffentlich-rechtlicher Programme sehr wichtig. Auch sei Lokal-TV lokalpolitisch gefordert, ganz ohne Fake News im Programm. Wißkirchen wies aber auch auf die wirtschaftlichen Probleme, z.B. Personalsuche, Infrastruktur und wegbrechende Werbekunden hin. Hier würden Landesmedienanstalten helfen, z.B. bei technischer Weiterentwicklung, Studien und Netzwerkveranstaltungen, wie den Lokal-TV-Kongress.
Prof. Dr. Frank Fechner von der TU Ilmenau gab in seinem Impulsreferat einen Gesamtüberblick zur Situation von Lokal-TV. Demnach seien z.B. klassische Abgrenzungen des Medienrechts zwischen den einzelnen Gattungen kaum noch zu erkennen und würden durch immer mehr Laienjournalisten in den Sozialen Medien noch schwieriger. Zudem sieht er steigenden Produktionsdruck, eine schrumpfende Personaldecke und den Einbruch des traditionellen Werbemarktes, was laut Prof. Fechner eine Förderung durch Gesetzgeber nahe läge.
Laut Dr. Anja Zimmer, Direktorin der mabb, stellt sich aktuell die Frage nach der Glaubwürdigkeit von lokalem Journalismus noch deutlicher. Nur mit glaubwürdigen Inhalten könne der Meinungsbildungsprozess begleitet werden. Außerdem müssen sich Lokal-TV-Veranstalter die Frage stellen, wie sie zukünftig junge Leute erreichen können. Um die wirtschaftliche Lage zu verbessern, müsse zudem die lineare Verbreitung als die teuerste Form der Programmverbreitung ggf. durch weitere Ausspielwege ergänzt werden. Es sei darüber hinaus essentiell, Prozesse und Workflows zu verbessern und effizienter zu werden: „Man unterschätzt den Aufwand, den crossmediale Arbeit verursacht“, so Fr. Dr. Zimmer. Bevor man über die Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk diskutiert, sei es zu allererst wichtig, dass lokale Informationen entstehen und anschließend transportiert werden.
In ihrem Impulsvortrag zur Zukunft des lokalen Fernsehens griff Prof. Dr. Wiebke Möhring, TU Dortmund, zunächst auf die Vision der raumlosen Gesellschaft zurück, oder anders gesagt die Betrachtung der Welt als globales Dorf. So ging man bisher von der Annahme aus, dass geografische Räume in ihrer Bedeutung nachlassen. Aber sie sind noch heute bedeutungsvoll, wenn auch verändert. Außerdem kann man heute mit mehreren Orten verbunden sein, sodass viele Orte gleichzeitig relevant werden. Denn Globalisierung und Digitalisierung führen zu Wachstum von Kommunikationsräumen und vielen neuen Interaktionsmöglichkeiten. So sei auch das Internet ein „Medium des lokalen Raums“ und Lokal-TV habe sein Alleinstellungsmerkmal, seinen USP verloren. Den anwesenden Lokal-TV-Machern gab sie mit auf den Weg, weiterhin auf lokale Informationen, professionelle Aufbereitung und Bilder zu setzen. Vor allem sollen sie sich die Professionalität als Unterscheidungsmerkmal bewahren.
Als Vertreter eines mit ca. 40 Mitarbeitern sehr großen Lokal-TV-Veranstalters outete sich Ralph Kühnl, Rhein-Neckar Fernsehen GmbH, als „Fan des Rückkanals“, auch wenn er Facebook und dessen Algorithmus momentan sehr kritisch sieht. Er hat gemeinsam mit allen Mitarbeitern einen Wandel seines Senders herbeigeführt hin zu einem erfolgreich durch Werbung finanzierten, lokalen Nachrichtensender. Auf der anderen Seite verwies Christian Uhlmann von Jena TV auf die hohe Fluktuation der Mitarbeiter aufgrund von geringen Gehältern: „Wir können die Qualität nicht bezahlen, um mehr zu erreichen.“ Interaktion, wie z.B. auf Facebook oder bei der Einbindung von Bürgerreportern, brauche Personal.
Mit persönlichen Einleitungen und Einblicken in ganz unterschiedliche Beiträge aus dem alltäglichen Programm von fünf Lokal-TV-Veranstaltern schloss das offizielle Programm des ersten Tages. Der Showcase zeigt deutlich, wie vielfältig und wichtig lokale Berichterstattung und politische Einordnung sind, mit Themen, wie die Ausbildung von Flüchtlingen, Fremdenfeindlichkeit oder internationale Konflikte im lokalen Raum, aber auch Tourismusförderung, Event- und Aktionsportraits.