Medieninformation • 09.05.2012 • Neubrandenburg

Eröffnungsrede "Es betrifft Dich!"

von Bert Lingnau, Beauftragter für Offene Kanäle der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern

Eröffnung der Ausstellung
„Es betrifft Dich! Demokratie schützen – Gegen Extremismus in Deutschland“, Neubrandenburg, 9. Mai 2012, 15 Uhr
Rede von Bert Lingnau, Beauftragter für Medienkompetenz, Offene Kanäle und Öffentlichkeitsarbeit der Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Offenen Kanals,
liebe Nutzerinnen und Nutzer,
sehr geehrte Gäste!

Winston Churchill, der Engländer, der während des 2. Weltkrieges britischer Premierminister und damit einer der unerbittlichsten Gegner Hitlers war, Churchill hat Folgendes gesagt: „Ein Fanatiker ist ein Mensch, der seine Ansichten nicht ändern kann, und das Thema nicht wechseln will.“
Diese Worte sollte man im Hinterkopf haben, wenn man sich diese Ausstellung hier ansieht. Man trifft auf Ansichten von Extremisten, die radikal und eindimensional sind, die unsere Welt – schön einfach – in Gut und Böse unterteilen. Man liest Sätze, die scheinbar aus der Zeit gefallen sind, weil sie verblenden und hetzen. Anachronistische Meinungs- und Denk-Ungeheuer, die Science-Fiction-Welten entsprungen scheinen.
Extremismus hat unterschiedliche Ursachen: Armut, Ideologie, religiöser Fanatismus und politisches Machtstreben spielen immer wieder unheilvolle Rollen – wie in Shakespeares blutigen Tragödien –, die Folgen sind überall gleich: Diskriminierung, Gewalt, Mord, im schlimmsten Fall sogar Krieg.
Urteile über Extremisten sind leicht gefällt, aber wir müssen uns mit ihnen und ihren Taten, ihrem Denken, ihrer Psyche auseinandersetzen. Wir müssen verstehen, warum der Norweger Anders Breivik im vergangenen Jahr 77 Menschen umgebracht hat, um sein Land vor einer angeblichen Überfremdung und einer kommunistischen Bedrohung zu schützen. Ist Breivik ein gestörter, nach Aufmerksamkeit lechzender Mann oder ein emotionsloser, kalter Killer? Oder beides?
Wir müssen erkennen, warum die rechtsradikale Zwickauer Terrorzelle, die sich Nationalsozialistischer Untergrund nannte und vielleicht sogar Geld von der NPD aus Mecklenburg-Vorpommern bekommen hat, warum diese Neo-Nazis über zehn Jahre lang Morde mitten in Deutschland begehen konnten. Wie können wir künftig so etwas verhindern?
Wir müssen auch verstehen, warum in Afghanistan und im Irak immer neue Selbstmordattentäter heranwachsen, oder warum einst die Roten Brigaden in Italien und die Rote Armee Fraktion in Deutschland dem Kapitalismus den Kampf ansagten, zahlreiche Banken überfielen, Politiker entführten und Manager ermordeten.
Der Extremismus hat eine lange Geschichte. Gewalt erzeugt Gegengewalt. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ steht schon in der Bibel. Aber die Aufklärung, die im 18. Jahrhundert solche Männer wie Gotthold Ephraim Lessing, Immanuel Kant oder Jean-Jacques Rousseau hervorgebracht hat, müsste uns doch ein wenig klüger gemacht haben. Damals wurde der Klassizismus, das alte Griechenland, gefeiert. Als Vorbild. Die Griechen waren vor 2.500 Jahren die ersten Demokraten.
Der Weg der Erkenntnis ist lang und mühsam.
Winston Churchill, der 1953 für sein sechsbändiges historisches Mammut-Werk Der Zweite Weltkrieg den Literaturnobelpreis erhielt, sagte einmal: „Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“
Ich ergänze und präzisiere: Die Demokratie ist die schwierigste aller Staatsformen, weil man sich in ihr gelegentlich den Ansichten anderer Leute beugen muss; weil man Mehrheiten braucht, um seine Ziele durchzusetzen; weil man Kompromisse eingehen muss; weil politische Entscheidungsprozesse manchmal unendlich langsam erscheinen.
Aber: Kompromisse zivilisieren. Pluralismus, das Sammeln und Diskutieren vieler Meinungen, braucht nun einmal seine Zeit. Abwägen, eigene Standpunkte revidieren und andere Ansichten akzeptieren – das alles ist zwar schwieriger, aber letztendlich beständiger, weil die Demokratie so offen für Neues ist und sich weiterentwickeln kann. Geschlossene Systeme – auch Denksysteme –, die keine Einflüsse von außen oder von anderen zulassen, die autokratisch um sich selbst kreisen und sich feiern, sind immer irgendwann implodiert oder explodiert, auf jeden Fall zugrunde gegangen.
Sehen Sie sich einmal in der Welt um, wie es in anderen Staaten aussieht, in nichtdemokratischen Staaten. Da werden Sie auf der Straße verhaftet, weil Sie ein regierungskritisches Gedicht geschrieben haben. Oder weil Sie einfach denunziert worden sind. Da können Sie keine Nacht ruhig schlafen, weil Sie nicht wissen, ob die marodierende Bande, die in der vorigen Woche alle Mädchen des Dorfes vergewaltigt hat, nicht wiederkommt. Da wird Ihnen als Frau vorgeschrieben, wie Sie sich zu kleiden haben und wie Sie ihrem Ehemann zu Diensten sein müssen.
Und dann vergleichen Sie – mit unserem Land, mit unserem Wohlstand, unseren Freiheiten, unserer Rechtssicherheit.
Ich danke dem Bundesamt für Verfassungsschutz für diese Ausstellung. Und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ein Wort zum Schluss:
Die Demokratie ist schwerfällig, auch anfällig, aber sie ist auch wehrhaft. Diese Ausstellung zeigt, wie wir uns wehren können gegen Extremisten und deren Gedanken, wie wir uns mit guten Argumenten wappnen und uns bilden können.
Ja, Bildung ist gefragt. Denn wenn viele Leute gebildet sind, also differenziert und reflektiert denken können, hat Extremismus in Deutschland weniger Chancen.

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