Programmbericht 2014
Informiert das Fernsehen? – Worüber informiert das Fernsehen? – Wie informiert das Fernsehen?
Mit Antworten auf diese Fragen beschreibt der Programmbericht 2014 der Medienanstalten die Informationsleistungen deutscher privater und öffentlich-rechtlicher TV-Programme. Der Bericht wird heute Abend in Berlin vorgestellt. (Nähere Infos am Ende des Textes.)
Mit „Fernsehen“ sind im neuen Programmbericht vor allem die acht Programme gemeint, die auf dem bundesweiten Fernsehmarkt die größten Reichweiten erzielen und die Gegenstand der kontinuierlichen Programmforschung der Landesmedienanstalten sind: ARD, ZDF, RTL, Sat.1, VOX, ProSieben, RTL II, kabeleins. Seit 1998 wird diese Programmstruktur- und Inhaltsanalyse zweimal jährlich am ausgestrahlten Programm durchgeführt und erlaubt so einen zugleich aktuellen und langfristigen Blick auf die Programmentwicklungen im privaten und öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
Im neuen Programmbericht wird die Frage diskutiert, was man heute – besonders mit Blick auf neue, hybride Magazin- und Dokumentationsformate – unter Information im Fernsehen verstehen kann. Dafür werden in der Studie verschiedene Stufen der fernsehpublizistischen Information definiert und für die acht untersuchten Programme anhand aktueller Programmdaten beschrieben und verglichen. Rein quantitativ betrachtet reicht das Spektrum der Informationsstufen für die privaten Programme von mehr als fünf Stunden täglich für alle möglichen, im weitesten Sinne fernsehpublizistischen Inhalte (z. B. RTL) bis zu weniger als fünf Minuten täglich für gesellschaftlich relevante, im engeren Sinne politische Information (z. B. RTL II und ProSieben).
Worüber genau im Fernsehen berichtet und gesprochen wird, zeigen die Ergebnisse der Studie z. B. im Hinblick auf die Themenstruktur von Nachrichtensendungen. In den Detailanalysen werden die fernsehpublizistischen Beiträge der untersuchten Programme für verschiedene Programmgattungen gegenübergestellt und verglichen. Auch hier ist das Spektrum breit: Es gibt private Vollprogramme, die bis zu 40 Prozent ihrer Nachrichtenzeit für Prominenz und Human Touch reservieren (RTL II), während andere etwa den gleichen Anteil für Politik und kontroverse Themen verwenden (VOX und Sat.1). Ein Nachrichtenvergleich auf der Ebene der behandelten Themen zeigt überdies interessante Überschneidungen und Unterschiede zwischen den Nachrichtenformaten der zwei großen Fernsehprogrammfamilien Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1 Media AG. So finden sich etwa 71 Prozent der bei ProSieben behandelten Nachrichtenthemen auch in den Nachrichten der Schwesterprogramme kabeleins und Sat.1, während RTL II durch sein „besonderes“ Nachrichtenprofil fast die Hälfte seiner Themen exklusiv anbietet.
Wie das Fernsehen informiert, zeigt aus einer anderen Perspektive eine Analyse der erfolgreichsten Informationsformate in den deutschen Fernsehvollprogrammen. Eine Gegenüberstellung „harter“ und „weicher“ Informationssendungen zeigt, dass politische Talksendungen (Jauch, ARD) bei den Zuschauern weiterhin besonders beliebt sind, aber auch die klassischen Nachrichtenflaggschiffe von ARD und ZDF noch immer ihr Publikum finden.
Dr. Jürgen Brautmeier, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Medienanstalten (DLM), sagte, es bestehe die Gefahr, dass es durch die wirtschaftliche Konzentration bei der Nachrichtenproduktion zwangsläufig auch zu einer publizistischen Konzentration der Inhalte kommt. „Die Medienanstalten werden diese Entwicklung genau beobachten und versuchen gegenzusteuern. Die inhaltliche Vielfalt in den Programmen und die Informationsleistung auch der privaten Anbieter müssen geschützt werden.“
Öffentliche Veranstaltung heute Abend in Berlin: „Nackte Wahrheiten. Sexuelle Aufklärung in Fernsehen und Internet“ u. a. mit Philipp Walulis
Die weichen Ränder der Information zur Unterhaltung haben in diesem Jahr Wissenschaftler, Programmverantwortliche und Journalisten im Kapitel „Streitpunkte – Standpunkte“ ausgelotet. Im vergangenen Programmjahr sind einige neue TV-Formate gestartet, die zentral um die Themen Sexualität und Intimität kreisen. Und auch im Internet gibt es Angebote, die die sexuelle Aufklärung ihrer Nutzer zum Ziel haben. Nackte Wahrheiten – geht es dabei letztendlich um die sensationsheischende, voyeuristische Darstellung von Nacktheit oder gibt es auch Momente des sozialen Lernens? Ist Aufklärung im Fernsehen möglicherweise ein Gegentrend zu pornografischen Angeboten im Netz? Warum kommt es gerade jetzt zu einer Art Revival solcher Formate?
Fragen wie diese wurden bislang kaum gestellt. Sie werden auf Einladung der Medienanstalten heute Abend (12. Mai, ab 17.30 Uhr) in der Tube-Station in Berlin (Friedrichstraße 180 – 184) mit Experten aus Wissenschaft und Medienpraxis diskutiert. U. a. spricht Philipp Walulis, Fernsehmoderator und Satiriker, zum Thema „Es muss nicht immer Porno sein – die Entwicklung der sexuellen Aufklärung im deutschen Fernsehen“. Bei dieser Veranstaltung wird zudem der Programmbericht vorgestellt. Anmeldungen sind noch möglich (www.die-medienanstalten.de/pb14).
Zum Programmbericht:
Die kontinuierliche Programmbeobachtung der Medienanstalten wird durchgeführt von der GöfaK Medienforschung, Potsdam, unter Leitung von Prof. Dr. Joachim Trebbe und Prof. Dr. Hans-Jürgen Weiß. Im ausführlichen Dokumentationsteil der Studie findet man auch aktuelle Daten zur Entwicklung formaler Programmdaten wie etwa Werbezeiten, Wiederholungsanteile und Produktionsquoten für europäische Werke; aber auch Analysen zur Entwicklung der Reality-Formate, des Kinderfernsehens und der non-fiktionalen und fiktionalen Unterhaltungssendungen.
Der „Programmbericht 2014. Fernsehen in Deutschland“ wird herausgegeben von den Medienanstalten. Er ist soeben im Vistas-Verlag erschienen und zum Preis von 15,-Euro erhältlich (ISBN 978-3-89158-610-5). Eine PDF-Version ist hier abrufbar.